Aktuelles vom Kreuzbund

"Chancen nahtlos nutzen - Sucht-Selbsthilfe als aktiver Partner im Netzwerk"

Verbandsübergreifendes Projekt

Im Juli 2011 startete das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Projekt „Chancen nahtlos nutzen – Sucht-Selbsthilfe als aktiver Partner im Netzwerk“. Die fünf Sucht-Selbsthilfeverbände haben mit Unterstützung durch die psychologische Fakultät der Universität Hildesheim als Projektziele formuliert, die Sucht-Selbsthilfe und die berufliche Suchthilfe (im ambulanten und stationären Bereich) stärker miteinander zu verzahnen und neue Vernetzungsstrukturen aufzubauen oder bei Bedarf zu verbessern. Unter dem Leitgedanken der Nahtlosigkeit sollen Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen möglichst optimal und frühzeitig erreicht werden und die jeweils beste Hilfe erhalten.  

Ein Fachbeirat – bestehend u.a. aus Vertretungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, der gesetzlichen Krankenkassen, der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS), der Wohlfahrtsverbände Caritas, Diakonie und Parität – begleitet und unterstützt das Projekt und die Projektleitungen.  

Bereits im Zuge der Projektplanung und Antragstellung wurden einige Schwachpunkte und Defizite identifiziert, die gleichzeitig als Grundlage für die Zielformulierung dienten, z. B. „Vermittlungsprobleme“ und „Brüche“ im Übergang von Entgiftung, Beratung, Therapie oder ambulanter Nachsorge in die Selbsthilfe. Aber auch andere Probleme wurden markiert, beispielsweise

-der Rückgang der Teilnehmenden in der Sucht-Selbsthilfe

-schwieriger werdende Erreichbarkeit von Patientinnen und Patienten 

-Probleme im Bereich der Vorstellung der Sucht-Selbsthilfeangebote im Rahmen stationärer und ambulanter Settings

-„Konkurrenzen“ zwischen ambulanter Nachsorge und Sucht-Selbsthilfe

Auf dieser Basis war deshalb Ziel der wissenschaftlichen Exploration, die grundlegenden Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zwischen beruflicher Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe zu ermitteln und dabei v.a. hemmende und fördernde Faktoren. Daraus können mögliche Lösungsansätze abgeleitet werden.  

Aktuell liegen die Explorationsergebnisse vor, wobei folgende Problembereiche primär identifiziert und exploriert wurden:

- Zustrom in die Sucht-Selbsthilfe und Überleitung aus professionellen Hilfesystemen

- Haltefähigkeit in der Sucht-Selbsthilfe

- Erreichung bisher weniger repräsentierter Zielgruppen

- Qualität und Kompetenz der Gruppenleitung

In den durch die Universität Hildesheim geführten Interviews mit der ambulanten und stationären Suchthilfe und mit der Selbsthilfe wurden darüber hinaus weitere Problemfelder benannt, z. B. durch Gesprächspartner der beruflichen Suchthilfe

  • Lückenhafte Angebotspalette der Sucht-Selbsthilfe für jüngere und ältere Suchtkranke, für Menschen mit co-morbiden Störungen und anderen Abhängigkeitsform
  • negatives Image der Sucht-Selbsthilfe („Die können doch nur Alkohol“), aber gleichzeitige Würdigung der Betroffenen-Kompetenz
  • Trägerkonkurrenz        
  • z.B. durch Selbsthilfevertreter: mangelnde Wertschätzung und unterschiedliche „Augenhöhe“ in de Kooperation mit der beruflichen Suchthilfe
  • unverbindliche oder mühsame Positionierung im Rahmen der Vorstellung der Selbsthilfe in stationären Einrichtungen („Selbsthilfe als Bittsteller“)
  • Bindung von Suchtkranken durch die Angebote der ambulanten Reha und der professionellen Nachsorge und fehlende Überleitung in Sucht-Selbsthilfeangebote

Ein Expertengespräch mit den Beteiligten der Uni Hildesheim, Vertreterinnen und Vertretern des Fachbeirats, dem BMG und den Projektleitungen der fünf Verbände hat gezeigt, dass für eine Optimierung der Angebotspalette der Sucht-Selbsthilfe eine Bedarfsbestimmung erfolgen sollte. Neue Formen und Arbeitsstrukturen sollen/müssen ebenso in den Blick genommen werden wie beispielsweise die Ausweitung der Selbsthilfeangebote für jüngere und ältere Suchtkranke.

Diskutiert wird weiterhin die Optimierung und Neujustierung der Selbstpräsentation von Gruppen der Sucht-Selbsthilfe in den Einrichtungen der beruflichen Suchthilfe. Neu in den Fokus stellt sich hier auch die Vorstellung von Selbsthilfeangeboten im ambulanten Bereich. Gerade diese Form der Präsentation und Kooperation wird bis heute so gut wie kaum genutzt. Da der erste Kontakt mit der Sucht-Selbsthilfe grundlegende Weichen für den Besuch einer Gruppe legt, ergeht die Empfehlung, verstärkter als bislang nicht (nur) den eigenen Verband resp. die eigene Gruppe vorzustellen, sondern vielmehr das Prinzip der Selbsthilfe, ihre Arbeitsweisen und Wirkungen zu verdeutlichen. Dies ist insbesondere in überregional belegten Fachkliniken bedeutend. (vgl. unter Downloads: Leitfaden zur Vorstellung des Kreuzbundes in Kliniken und (Fach)-Krankenhäusern)

In der Qualitätssicherung bzw. im Leitbild der stationären Suchthilfe sollte die Vorstellung der Sucht-Selbsthilfe verankert sein. Auch für den ambulanten Suchthilfebereich wird empfohlen, die Selbsthilfe strukturiert in die Arbeit einzubinden.

Als Konkurrenzangebot werden die angeleiteten Nachsorgegruppen in der professionellen Suchthilfe erlebt, die Klienten längerfristig an die Einrichtungen binden. In den Fokus sollte deshalb auch die Überleitung zwischen dem Angebot der Nachsorgegruppen in die Selbsthilfe genommen werden.

Als deutliche Handlungsempfehlung wurden vielfach die trägerübergreifende Zusammenarbeit und ein gemeinsames Auftreten der Sucht-Selbsthilfe betont. Die Vielfalt des Angebots kann nur aufgezeigt werden, wenn auf evtl. spezialisierte Gruppen anderer Träger verwiesen wird. Auch eine stärkere Einbindung in Gremienarbeit sollte zum Austausch und zur Imageverbesserung genutzt werden.

In Bezug zur Haltefähigkeit diskutierten die Expertinnen und Experten Probleme der langfristigen Einbindung neuer Mitglieder. Es wird vorgeschlagen, die Bedürfnisse und Einschätzungen neuer Gruppenmitglieder weiter zu untersuchen. In Bezug auf die Rolle und Funktion der ehrenamtlichen Gruppenleitungen wird im Sinne der Qualitätssicherung eine begleitende „Praxisreflektion“ angeregt. Die Rolle als Gruppenleiterin oder Gruppenleiter verlangt den Einsatz vieler Ressourcen und kann die Hemmschwelle anderer, diese Funktion ebenfalls einzunehmen, erhöhen. Die Aufgaben sollten daher auf mehrere Schultern verteilt werden.

Die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der Exploration wurden im Abschlussbericht zusammengefasst.  Auf dessen Grundlage sind die fünf Verbände derzeit dabei, ein sich anschließendes Praxisprojekt zu konzipieren und zu beantragen, um einige der o.g. Schwerpunkte aufgreifen zu können. Projektbeginn ist voraussichtlich der 1. Juli 2013.

Heinz-Josef Janßen, Bundesgeschäftsführer 

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