Aktuelles vom Kreuzbund

Stigmatisierung psychisch Kranker nimmt zu

Studie der Universitätsmedizin Greifswald

Die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen nimmt allen Aufklärungskampagnen zum Trotz eher zu als ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universitätsmedizin Greifswald. Die Wissenschaftler haben im Jahr 2011 rund 3.600 Menschen bundesweit in persönlichen Interviews ausführlich zu ihrer Einstellung zu den Krankheitsbildern Schizophrenie, Depression und Alkoholismus befragt. Während die Bereitschaft, mit Betroffenen in Kontakt zu treten in Bezug auf Depression und Alkoholabhängigkeit unverändert geblieben ist, hat sich das Verhältnis zu Menschen mit Schizophrenie im Vergleich zu 1990 deutlich verschlechtert.

Was die Stigmatisierung von Betroffenen angeht, zeigten sich unterschiedliche Entwicklungen. Für Betroffene mit einer Depression konnten die Wissenschaftler geringfügige positive Veränderungen beobachten: Die Menschen äußerten 2011 etwas mehr Mitleid und Hilfsbereitschaft und etwas weniger Befangenheit als 1990.

Eine eindeutig negative Entwicklung zeigte sich bei den Einstellungen zu Menschen mit Schizophrenie. Hier nahm die Furcht vor Betroffenen zu, während positive Reaktionen wie Mitleid und Hilfsbereitschaft abnahmen. Vor allem aber stieg das Bedürfnis nach sozialer Distanz deutlich.

Die stärkste Ablehnung unter den drei Krankheitsbildern erfahren nach wie vor Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit. Die persönliche Ablehnung äußert sich darin, dass 31 Prozent einen Alkoholkranken nicht als Nachbarn wünschen (unverändert), 34 Prozent nicht als Arbeitskollegen (unverändert), 60 Prozent nicht im Freundeskreis (+ 5 %) und 61 Prozent nicht als Untermieter (unverändert).

Bei der Frage nach den Ursachen der Alkoholabhängigkeit dominiert klar die Vorstellung von psychosozialen Stressfaktoren: 2011 stimmten 21 Prozent zu, dass es eine Gehirnkrankheit sei (- 7 % seit 1990), 25 Prozent meinten, das wird vererbt (unverändert). 73 Prozent waren der Ansicht, Auslöser sei ein belastendes Lebensereignis (- 7 %), 76 Prozent vermuteten Stress am Arbeitsplatz als Ursache (unverändert).

Bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit wurde vor allem der Gang zum Psychiater (51 %), Psychotherapeut (71 %) und Hausarzt (83 %) oder die Selbsthilfegruppe (79 %) empfohlen.

Konsequenzen aus der Studie

Die Öffentlichkeit weiß mehr über psychische Krankheiten und ist einer psychiatrischen Behandlung gegenüber aufgeschlossener. Das ändert aber offenbar nichts am Problem der Stigmatisierung. „Wir brauchen ein differenzierteres, lebendigeres Bild von Menschen mit psychischen Krankheiten. Sie dürfen nicht auf eine Fehlfunktion im Gehirn reduziert werden“, fordert Studienleiter Dr. Georg Schomerus.

In der Öffentlichkeit müssten dringend neue Wege in der Aufklärung von psychischen Erkrankungen und im Umgang mit Betroffenen gesucht werden. Anti-Stigma-Aktivitäten sollten die Betroffenen stärker in den Mittelpunkt stellen, lokal, nachhaltig und zielgruppenorientiert sein. Das schließt auch Begegnungen mit Schülern, Seminare mit Polizisten, Lehrern und Krankenhauspersonal ein. Wichtig sei es auch, strukturelle Benachteiligungen zu bekämpfen. Menschen mit Schizophrenie haben es z.B. viel schwerer, eine ambulante Psychotherapie zu bekommen als Menschen mit anderen, oft weniger schwerwiegenden psychischen Krankheiten, so Schomerus.

Aus: Medieninformation der Universitätsmedizin Greifswald vom 11. März 2014

Zurück