Aktuelles vom Kreuzbund

Sucht- und Altenhilfe im Gespräch

DHS-Kooperationstagung in Weimar

Auf der Kooperationstagung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) und des Kuratoriums Deutsche Altershilfe am 22. und 23. April 2013 in Weimar diskutierten Teilnehmende aus Praxis und Forschung, Wohlfahrtsverbänden und Politik das Thema "Sucht im Alter". Dr. Michael Tremmel skizzierte in seinem Beitrag die Perspektiven der Sucht-Selbsthilfe, die ein abstinentes Älterwerden unterstützen.

Möglicherweise erhöht der Begriff „Sucht“ die Schwelle, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Sucht- und Altenhilfe könnten demgegenüber mit den Begriffen „Gesundheit“ und “Lebensqualität“ einen leichteren Zugang zu Betroffenen und ihren Angehörigen finden. Sucht- und Altenhilfe waren sich weitgehend einig: Die Abstinenz kann nicht das alleinige Ziel der Hilfeangebote sein.

Spätestens hier bedarf es einer Klärung: Von welchen Alten ist die Rede? Denn Senioren der dritten Lebensphase haben möglicherweise andere Ziele und Bedarfe als solche der vierten Lebensphase. Es ist wichtig, die Betroffenen differenziert anzusprechen. Für die Älteren der dritten Lebensphase gehört das Ziel der Abstinenz sicher zu den Voraussetzungen einer höheren Lebensqualität. Alten- und Suchthilfe warfen allerdings die Frage auf, ob Suchtkranke in den Selbsthilfe-Gruppen – und diese befinden sich in ihrer dritten Lebensphase – Unterstützung finden, auch wenn sie nicht primär abstinent leben wollen oder können. Gibt es solche speziellen Angebote neben den Abstinenz-Gruppen? Hat die abnehmende Resonanz der Sucht-Selbsthilfe möglicherweise etwas damit zu tun, dass Sucht-Selbsthilfe sich zu sehr auf die Abstinenz konzentriert?

Die Altenhilfe, insbesondere die ambulante und stationäre Pflege, unterstützt Ältere in ihrer vierten Lebensphase. Das Ziel der Abstinenz ist nicht ausgeschlossen, doch im Vordergrund stehen hier Risikominimierung und Lebenszufriedenheit. Deshalb diskutiert die Altenpflege Formen der „kontrollierten Abgabe“ von Medikamenten und Alkohol. Für die Pflege wurde u.a. ein Medikamenten-Management empfohlen, das die Verschreibung und Abgabe von Medikamenten mit Suchtpotential kontrolliert. Auch eine „Alkoholpolitik“ in der Altenhilfe sei sinnvoll: Die Küche eines Pflegeheims müsse alkoholfrei sein, um zu vermeiden, dass Alkoholkranke zwangsweise mit Alkohol versorgt würden.

Ein Problem könnte sich darin zeigen, dass die Altenhilfe das Thema „Sucht“ an die zuständige Suchthilfe und umgekehrt die Suchthilfe das Thema „Alte“ an die zuständige Altenhilfe delegiert. Betroffene und Angehörige würden im ungünstigen Fall zwischen den Akteuren der Alten- und Suchthilfe hin und her geschickt. Demgegenüber sollten beide Bereiche auf je eigene Weise die Probleme der Sucht im Alter in ihren Konzepten berücksichtigen und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der Berufspraxis für das Thema sensibilisieren. Schließlich wurde gefordert, dass die Krankenkassen, (Haus-)Ärzte und Apotheker mit ins Boot geholt werden, um den Risiken einer Suchterkrankung im Alter zu begegnen und die Lebensqualität älterer Menschen zu erhöhen.

Wir haben jahrelang trinkende Gruppen-Teilnehmende toleriert

Ein Gespräch mit einer Gruppenleiterin aus Bayern, deren Namen mit Blick auf die Verschwiegenheit zu Vorgängen in einer Gruppe hier nicht genannt wird, zeigte: Gruppen des Kreuzbundes gestalten ihren Gruppen-Alltag flexibel und berücksichtigen die Situation der einzelnen Gruppen-Teilnehmenden. So ist dann auch die Aussage möglich: „Ich habe als Gruppenleiterin jahrelang trinkende Teilnehmer und Teilnehmerinnen toleriert – und auch die Gruppe hat das bewusst mitgetragen.“ Nach Jahren hat sich dann bei einzelnen plötzlich die Abstinenz eingestellt. Irgendetwas hat sich im Leben der Leute verändert und dann war der Alkohol auf einmal nicht mehr nötig – ein Erfolg, der Zeit braucht!

„Ich sag den Weggefährten auch immer“, so die Gruppenleiterin, „wenn ihr nur trockene Leute in eure Gruppe aufnehmt, dann müsst ihr euch nicht wundern, wenn keine neuen Leute kommen und auch bleiben. Wir können doch nicht nur die nehmen, die Entgiftung und Therapie hinter sich haben. Ihr müsst akute Leute aufnehmen und versuchen, sie zu halten.“

Mit guten Verbindungen zur Seniorenarbeit vor Ort kann die Sucht-Selbsthilfe ihre Angebote am Ort und in der Region bekannt machen. Persönliche Begegnungen und gemeinsame Unternehmungen und Aktionen sind E-Mails und Prospekten überlegen, um Verbindungen zu Ehrenamtlichen und professionellen Helfer/-innen in der Seniorenarbeit herzustellen und zu pflegen. Über Stadt- oder Gemeindeverwaltungen, in denen in der Regel Seniorenvertretungen oder –beiräte eingerichtet sind, und gemeinsam mit der Caritas lassen sich leicht Kontakte herstellen. Die Gruppenleiterin hierzu: „Wir haben es so gehalten, dass eine Vertreterin von ‚Essen auf Rädern‘ aus unserem Ort einmal in die Gruppe kam und wir haben uns umgekehrt bei ‚Essen auf Rädern‘ umgesehen. Da wissen wir übereinander Bescheid.“

Dr. Michael Tremmel, Suchtreferent

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